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schnäpeln (S.454), eine Übers. dieser Sprach-„Weberei“ im Geist von Gottlob Regis könnte etwa lauten: schälen, absäbeln. Wäre dieser Hinweis auf einen „Ozean des möglichen Wissens“ (ebd.) nicht vom Verleger in die Fragmente am Ende des Buches versetzt worden, hätte es gleich eingangs, wo das AutorInnenkollektiv die Passage ursprünglich einfügen wollte, einen deutlichen Verweis auf den Mönch und Arzt François Rabelais gegeben. Dies wäre dem Verständnis bestimmter Sprachfiguren im Text zuträglich gewesen. Doch Verleger interessieren sich nicht für literaturhistorische Spielereien, sondern für eine Erhöhung der Lesbarkeit ihrer Produkte.
Daher obliegt es nun dem Kommentator, diese Stelle zu erhellen.

Im 4. Buch von Rabelais´ Gargantua und Pantagruel geraten wir zusammen mit dem Helden Panurg auf die Insel des Bauches; wer diesem Verweis nachgeht, findet interessanterweise im 62. Kapitel einige Wunderwaffen und technische Künste beschrieben, die auf jener Insel bekannt sind und mit denen man Kanonenkugeln mitten in der Luft anhalten und jedweden Schrot schadlos machen kann für den Beschossenen.

Die Beschreibungen erinnern an einige Projekte des Joint Non-Lethal Weapon Directorate, wie sie noch 2018 auf dem Directed Energy Summit öffentlich gemacht wurden. Solche bis zum heutigen Tag weiterentwickelten und verfeinerten Technologien dürften initial überwiegend auf das Interesse von JNLWD-Gründungsvater John B. Alexander an suprahumanen Kräften und dem militärischen Einsatz von Psychokinese zurückzuführen sein. Wer sich für derlei Kräfte näher interessiert, schaue sich die Arbeit von Jim Channons First Earth Battalion an.

Doch es geht hier im Abschnitt „schnäpeln“ nicht so sehr um Wehrtechnik, wie um eine Erzähltechnik, die das Aussergewöhnliche einer Wehrtechnik abbildet, die physikalische Grenzen überschreitet. Hierin hat Rabelais vor fast 500 Jahren Pionierarbeit geleistet.

Mit der Rabelaismaske gelesen, enthüllen sich die Erlebnisse Hans Falcks (in seiner Inkarnation als »Herbert Freese, Kripo Duisburg.« S.242) im Tunnel unter Deutschland und seine Begegnung mit den Menschen im Aktenvernichtungszentrum als Teil eines alchimistischen Umschmelzungsprozesses, dem der Text eine Welt unterwirft, wie er sie übertage vorfindet. Es handelt sich mithin nicht um Satire, sondern um „affentheurlich naupengeheurliche Geschichtklitterung“: Schöpfung eines sprachlichen Universums, in dem sich das eigentliche Gebiet des Textes ins Unendliche ausdehnt, um es besser erfassen zu können. Dass dabei sonst gültige physikalische Gesetze ausser Kraft gesetzt sind, ist ebenso selbstredend, wie das Versagen konventioneller zeitlicher Ordnung.
Demzufolge ist Falcks endlose Kneipentour die gegenwärtigste (weil zum Zeitpunkt des Erscheinens des Textes noch künftige) jener in jeder Generation unendlich oft wiederholten Reisen zum „Orakel der göttlichen Boutelge“ (Flasche, die Wahrheit enthält) (siehe Rabelais, IV. Buch 1548/1552 und posthum erschienenes V. Buch, 1562/1564), jener letzten Instanz, deren Spruch nicht ganz überraschend nur ein Wort lang ist: „Trink!“

Schrenck-Notzing, Ludviga (S.105), möglicherweise eine Ur-Enkelin des berüchtigten Parapsychologen Albert von Schrenck-Notzing, dann wohl aus der IG-Farben-Linie von Alberts Sohn Leopold (widerspruchsfester Nachweis steht aus); A.v.S-N entwickelte echten Pioniergeist bei der fotografischen Fixierung von sog. Materialisationsphänomenen, wolkenhaften dreidimensionalen Auswüchsen aus den Oberkörpern von sog. Medien, mit denen sich deren Gedanken und geistige Bilder derart verfestigten, dass man sie für bemalte Mullbinden hätte halten mögen. A.v.S-N begründete damit eine nicht unumstrittene medizinische Erkentnismethode; heutzutage insbesondere von dem Charité-spin-off PRC (Prevention Research Center) am Barmherzigkeitshospital in Berlin-Kaltensee (siehe ebenfalls S.105) gepflegt; PRC wird deswegen unter Spöttern gern als „PaRapsychologiCum“ verulkt.

Schwitzgebel (angeblich Mitarbeiter der Spurensicherung bei CivEx, S. 239), möglicherweise ein Verweis auf den Psychotechniker Robert L. Schwitzgebel und seinen Zwillingsbruder Ralph Kirkland Schwitzgebel, den Erfinder der elektronischen Fußfessel.

Sci-Fi Dichter (S.191), laut Zunder, der hier im Alleingang ohne Schnebel und Altmeier-Haag einen hochinteressanten möglichen Verweis beforscht hat, sind damit Janet Morris und Jerry Pournelle gemeint. Zunder weist darauf hin, dass Thierry Breton bei ihnen in die Schule gegangen ist, bevor er „Unternehmen Arkade“ und „Computerkrieg“ schrieb.

Selivanov-Rede, Auszug aus einem 5-stündigen Vortrag, gehalten von Viktor Baumann am Selivanov Institut Moskau (2005); aus dem Roman gestrichene und aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht für die „Fragmente“ ausgewählte Passage mit folgendem Wortlaut: „Die Entwicklung eines neuen Freiheitsgedankens hat eben erst begonnen. Trotz aller Rederei über unseren erstaunlichen Fortschritt, trotz aller Erfolge bei der Entwicklung neuester Technologien politischer Kontrolle – trotz alledem haben wir bisher doch kaum die Oberfläche geritzt. Humane, nicht-tödliche Waffen für das Militär, vorbeugend wirkende sozio-hygienische Werkzeuge und Wirkmittel für die Polizei und die neue Hoffnung der Wissenschaften, die Nanotechnologie in den Dienst der Sicherheit der Bürger zu nehmen – das sind nicht allein Themen, sondern auch Techniken, die vor wenigen Jahren nicht einmal denkbar gewesen wären. Wir befinden uns an einem histroischen Wendepunkt. Das Ende primitiver Kontrolle ist erreicht. Gewalt und Tod sind nicht mehr notwendig, um Konflikte zu meistern. Wir sind noch nicht weit in der Anwendung der Entwicklungen. Es sind noch Hürden zu nehmen, überkommene Gesetze und ebensolche moralischen Widerstände sind zu überwinden, überflüssig gewordene Reserviertheiten, kurzum eine Menge zivilisatorischer Ballast, der über Bord muß. Der Fortschritt ist trotzdem wunderbar genug. Wenn wir jedoch das Geleistete mit dem vergleichen, was noch zu tun bleibt, dann versinken die bisherigen Erfolge im Nichts.
Wenn wir vom wachsenden Einfluß der Ingenieurskünste sprechen, oder gar vom geo- oder Bio-Ingenieur, vom totalen Umbau des Menschen, entsteht leicht das Bild einer kalten, technischen Welt, in der die Bäume, die Blumen, die Vögel, die Wiesen von einer großen Idee verdrängt sind, einer Welt, die aus künstlichen menschlichen Maschinen besteht. Eine solche Vorstellung teile ich nicht. Verständlich, daß Unbehagen sich einstellt, wenn die Totalität beschworen wird. Doch keine Angst vor den Bestien der Nano-Logie, es sind bloß Wort-Ungeheuer. Vielmehr glaube ich, daß wir zu wenig wissen über das gerade Entstehende und die Furcht vor dem Unverstandenen uns schaudern läßt. Was wir nicht kennen, können wir nicht begreifen. Was wir nicht begreifen, stoßen wir gern von uns. Wenn wir die bestehenden Chancen nicht nutzen, die ingenieursmässige Seite der Organisation unseres Lebens nicht besser verstehen lernen, werden wir bald keine Gelegenheit mehr haben, uns an den Bäumen und an den Vögeln, den Blumen und Wiesen zu erfreuen. Ich meine, wir haben schon allzu viel getan, die Annehmlichkeiten des Lebens durch den Glauben zu verscheuchen, es bestehe ein Gegensatz zwischen dem freien Leben und der Erzeugung der Mittel zum Leben.
Die besten Resultate können und werden stets nur durch die Anwendung neuester Technologie und durch das Geschick von besonderen, von außergewöhnlichen Menschen erzielt – durch intelligente, individuelle Führung. Demokratische Regierungen nach alter Fasson können kein wirklich innovatives Programm unterstützen, aus dem einfachen Grund, daß sie ihrem Charakter nach konservativ sind. Sie vermögen nur geringe Hilfe zu leisten, indem sie Hemmnisse des Fortschrittes aus dem Weg räumen, wenn dies verlangt wird. Wir müssen uns auf unsere Regierungen nicht verlassen, wenn wir etwas ändern wollen. Der wahre Staat, das ist kein anderer, von dem wir etwas verlangen oder erwarten. Der künftige Staat, das sind wir selbst. Dieser Staat liegt biologisch tief in uns begründet. Die kreative Leistung, die zu einer zukunftsweisenden Politik führt, ich möchte sie eine Politik der Erfahrung nennen, eine Politik, über die wir heute zu sprechen haben, wird immer von Einzelnen ausgehen, die sich ganz in den Dienst der Sache stellen.

Wir Sozialingenieure, Wehrtechniker, Pharmazeuten und Erneuerer der Wissenschaften haben Innovationen vorangetrieben, sie sichtbar gemacht und uns den Weg darüber hinaus gewiesen. Was sie auszeichnet, ist, daß sie die Mechanik des Lebens begriffen haben und zu unser aller Nutzen anzuwenden wissen. Es ist eigentlich nicht einmal ihr persönliches Verdienst, den entscheidenden Schritt zu tun. Sie haben nur die natürliche Mathematik in aller Konsequenz angewendet. Der Rest passiert von allein. Die Politik hat Revolutionäre wie uns stets mit Skepsis betrachtet. In den Augen der Politiker sind wir Künstler. Das schließt eine gewisse Unzurechnungsfähigkeit ein. Aber sind nicht alle Entwürfe einer Zukunft in den Köpfen von Menschen entstanden, die in ihrer Zeit für verrückt, für Spinner gehalten wurden?
Aber verzeihen Sie, ich habe Sie gar zu arg mit Thesen, Fragen, Philiosophien traktiert und mich nicht einmal vorgestellt. Ich heiße Virgil, Viktor Virgil Baumann. Meine Freunde nennen mich einfach V. Ich werde in Zukunft ihr Führer sein. Ich werde Sie aus dem Inferno eines vergangenen, eines kalten Krieges heraus führen. Nur zu Ihrer Erinnerung werde ich Ihnen ein paar Eindrücke davon mitgeben. Die Sache liegt längst hinter uns. Seit Sie sich freiwillig in diesen Raum begeben haben, sind Sie außer Gefahr. Das strahlende Purgatorium der Gegenwart, sehen Sie sich um: es hat bereits jeden Schrecken verloren. Sie werden es mühelos mit mir zusammen passieren. Einige Dinge werden manchen von Ihnen neu sein, oder Sie werden sie in einem neuen Licht sehen. Zum Schluß werden wir einen Blick in die Paradiese der Zukunft werfen können, von ferne erst, aber die Gegend zeichnet sich bereits deutlich ab. Überraschungen sind wie Geheimnisse: werden sie zu früh veröffentlicht, verlieren sie zwar ihren Reiz, dafür empfängt man sie ein wenig wie alte Bekannte, wie jemand, den man schon lange erwartet hat.“

Spot (S. 273), anders, als der Name nahe legt, eine vollkommen fleckenlose Elektrotöle aus dem Stall jener Firma, die in Unterdeutschland „Boston Hypponamics“ (S.227) heisst